D1Ma2: Förderung von Kompetenzen zur dokumentenbasierten Diagnose mathematischer Schülerleistungen in simulationsbasierten Lernumgebungen

Projektbeschreibung

Die Diagnose von Lernprozessen und Lernergebnissen bei Schülerinnen und Schülern ist eine Kernaufgabe von Lehrerinnen und Lehrern (vgl. KMK 2014). Korrekte Diagnosen von Schülerleistungen sind nicht nur Grundlage für Entscheidungen über Fördermaßnahmen, sondern notwendige Voraussetzung für adaptives Unterrichten. Obwohl sich Diagnosekompetenz von Lehrkräften auf die Leistungen von Schülerinnen und Schülern auswirkt, wurden bisher kaum fachspezifische Bemühungen unternommen, diese Kompetenz in der ersten Phase der Lehramtsausbildung zu fördern. An dieser Stelle setzt das Projekt an und zielt darauf ab, instruktionale Unterstützungsmaßnahmen zur Förderung von Diagnosekompetenzen in Interventionsstudien zu untersuchen und empirisch zu fundieren.

Um dies zu erreichen, wurde in der ersten Phase eine simulationsbasierte Lernumgebung entwickelt und evaluiert. Die untersuchten angehenden Grundschullehrkräfte werteten die in der Lernumgebung dargebotenen Diagnosesituationen als authentisch und konnten sich auf die Situationen einlassen. Außerdem ist die Lernumgebung geeignet, den Diagnoseprozess mittels Prozessdaten zu erfassen und sichtbar zu machen (vgl. Wildgans-Lang et al. 2020).

In der zweiten Phase werden verschiedene Unterstützungsmaßnahmen in die Lernumgebung integriert. Eine Methode, die sich bereits in anderen Lernkontexten als effektiv gezeigt hat, ist Scaffolding. Scaffolding zielt darauf ab, die Komplexität von Lernsituatuionen zu reduzieren und zu regulieren, um den Lernprozess zu unterstützen. Zur Förderung von Diagnosekompetenzen von Lehrkräften eignet sich einerseits Scaffolding mit fachdidaktischen Inhalten, was die Verknüpfung von Aufgabenmerkmalen und fachdidaktischen Kategorien erleichtert. Andererseits kann auch Scaffolding auf strategischer Ebene den Diagnoseprozess unterstützen, indem die Lernenden zu einem strategischen Vorgehen angeregt werden. Da zu erwarten ist, dass die Effektivität des Scaffoldings von den Lernvoraussetzungen der Lernenden abhängt, werden in Studie 1 die Wirkungen der beiden Scaffoldingarten auf die Diagnoseprozesse und auf die Diagnosequalität zwischen Lehramtsstudierenden und praktizierenden Lehrkräften verglichen. In der daran anknüpfenden Studie 2 sollen in einer kleineren Stichprobe zusätzlich die Blickbewegungen der Lernenden untersucht werden. Die Erfassung von Blickbewegungen soll zu einem besseren Verständnis beitragen, ob und wie Lernende das Scaffolding nutzen. Studie 3 untersucht schließlich die Wirkungen von Rollenscaffolding auf die Prozesse und die Qualität beim Diagnostizieren in Dyaden.

Das Projekt soll insgesamt dazu beitragen, die Diagnoseprozessse bei angehenden und praktizierenden Lehrkräfte auf hochauflösender Ebene zu beschreiben und effektive Unterstützungsmaßnahmen zur Förderung von Diagnosekompetenzen zu finden.

Die digitale Simulation

In dieser Simulation können angehende Lehrkräfte systematische Fehler von simulierten Schülerinnen und Schülern in Mathematik diagnostizieren. Basierend auf mathematischen Aufgaben und den zugehörigen Lösungen sind in der Simulation acht verschiedene Schülerfälle mit unterschiedlichen systematischen Fehlern implementiert (Wildgans-Lang et al., 2022).

Jeder Schülerfall in der Simulation besteht aus Aufgaben, die entweder ein hohes oder ein niedriges diagnostisches Potenzial haben, systematische Fehler zu identifizieren (Abbildung 1). Die Aufgaben und echten Lösungen stammen aus der VERA-3 Studie, einer bundesweiten Bewertung von Drittklässlern in Deutschland. Typische Fehler sind beispielsweise die Verwechslung der Zahlen 0 und 1 beim Multiplizieren oder stellenweises Subtrahieren.

Jeder Schülerfall in der Simulation besteht aus Aufgaben, die entweder ein hohes oder ein niedriges diagnostisches Potenzial haben, systematische Fehler zu identifizieren (Abbildung 1). Die Aufgaben und echten Lösungen stammen aus der VERA-3 Studie, einer bundesweiten Bewertung von Drittklässlern in Deutschland. Typische Fehler sind beispielsweise die Verwechslung der Zahlen 0 und 1 beim Multiplizieren oder stellenweises Subtrahieren.

In der Simulation wählen die Lehrkräfte Aufgaben aus einem Pool aus und interpretieren die zugehörigen Schülerlösungen, um systematische Fehler zu diagnostizieren. Währenddessen sollen die Lehrkräfte ihre Überlegungen notieren. Sie können dann selbst entscheiden, wann sie genügend Informationen gesammelt haben, um ihre finale Diagnose zu stellen. Beispielsweise wählt eine Lehrkraft Aufgabe 4 aus, um das Vorgehen des Schülers beim Subtrahieren mehrstelliger Zahlen zu analysieren (Abbildung 2).

Die Simulation ermöglicht es, diagnostische Aktivitäten während des Diagnoseprozesses (z.B. Auswahl einer Aufgabe mit hohem oder niedrigem Potential) angehender Lehrkräfte genau zu analysieren. Durch Implementierung von Scaffolding wird der Diagnoseprozess instruktional unterstützt, um die Diagnosekompetenz der angehenden Lehrkräfte zu verbessern (Schons et al., 2023).

Förderung

  • Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
  • Förderzeitraum: 01.09.2020 - 30.06.2024

Projektbezogene Publikationen und Präsentationen

Schons, C., Obersteiner, A., Fischer, F., & Reiss, K. (2024). Toward adaptive support of pre-service teachers' assessment competencies: Log data in a digital simulation reveal engagement modes. Learning and Instruction, 94, 101979. https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2024.101979

Schons, C., Obersteiner, A., Fischer, F., Reiss, K. (2023). Diagnoseprozesse angehender Lehrkräfte in einer digitalen Simulation erklären Unterschiede in der Diagnoseakkuratheit. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (GEBF). Essen.

Schons, C. & Obersteiner, A. (2022). Aufgabenbasierte Diagnose mathematischer Fehlvorstellungen aus mathematikdidaktischer und psychologischer Perspektive. Herbsttagung des Arbeitskreises Psychologie und Mathematikdidaktik der GDM. Rauischholzhausen.

Schons, C., Obersteiner, A., Fischer, F., Reiss, K. M. (2022). Identifying students' misconceptions in a digital simulation. 12th International Conference of the EARLI SIG Conceptual Change. Zwolle (NL).

Schons, C., Obersteiner, A., Reinhold, F., Fischer, F., & Reiss, K. (2022). Developing a simulation to foster mathematics teachers’ diagnostic competencies in simulations: The effects of scaffolding. Journal für Mathematik-Didaktik.

Schons, C., Obersteiner, A., Fischer, F., Reiss, K. M. (2022). Pre-service teachers‘ task selections for assessing students’ misconceptions. In C. Fernández, S. Llinares, A. Gutiérrez, & N. Planas (Eds.). Proceedings of the 45th Conference of the International Group for the Psychology of Mathematics Education (Vol. 4, p.403). PME.

Wildgans-Lang, A., Scheuerer, S., Obersteiner, A., Fischer, F., & Reiss, K. (2022). Learning to Diagnose Primary Students’ Mathematical Competence Levels and Misconceptions in Document-Based Simulations. In: Fischer, F., Opitz, A. (Eds.) Learning to Diagnose with Simulations. Springer https://doi.org/10.1007/978-3-030-89147-3_3

Schons, C., Obersteiner, A., Reinhold, F., Fischer, F., Reiss, K. (2021). Stimulating prospective mathematics teachers' diagnostic competencies with scaffolding. Meeting of the scientific network “Developing and stimulating competencies: Methodological challenges and opportunities for research”. Leuven (BE).

Schons, C., Obersteiner, A., Reinhold, F., Fischer, F., & Reiss, K. (2021). Förderung von Diagnosekompetenzen angehender Mathematiklehrkräfte mit Simulationen: Effekte durch Scaffolding. Sitzung des Arbeitskreises Empirische Bildungsforschung der GDM, Online.

Schons, C., Obersteiner, A., Fischer, F., Reiss, K. (2021). Learning to diagnose: effects of scaffolding in a simulation for prospective primary school teachers. 19th Biennial Conference of the European Association for Research on Learning and Instruction (EARLI). Gothenburg (SWE).

Schons, C., Obersteiner, A., Fischer, F., & Reiss, K. (2021). Scaffolding zur Förderung von Diagnosekompetenzen angehender Grundschullehrkräfte in Mathematik. Symposium - Cosima meets ProSim, Online.

Schons, C., Obersteiner, A., Fischer, F., & Reiss, K. (2020). Förderung von Diagnosekompetenzen durch Scaffolding. In H.-S. Siller, W. Weigel & J. F. Wörler (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2020 (S. 1535). Münster: WTM-Verlag. http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-21544

Wildgans-Lang, A., Reiss, K., & Obersteiner, A.(accepted). Supporting mathematical teachers’ criteria-oriented assessment in a learning environment. Annual Meeting of the American Educational Research Association (AERA). San Francisco, CA (USA). [Conference postponed]

Wildgans-Lang, A., Scheuerer, S., Obersteiner, A., Fischer, F., & Reiss, K. (2020). Analyzing prospective mathematics teachers’ diagnostic processes in a simulated environment. ZDM Mathematics Education, 52, 241–254. https://doi.org/10.1007/s11858-020-01139-9

Wildgans-Lang, A., Obersteiner, A., & Reiss, K. (2019). Epistemisch-diagnostische Aktivitäten im Diagnoseprozess bei Lehrkräften im Mathematikunterricht. In T. Ehmke, P. Kuhl, & M. Pietsch (Hrsg.). Lehrer. Bildung. Gestalten. Beiträge zur empirischen Forschung in der Lehrerbildung (S. 281–291). Beltz Juventa.

Waldleitner, M., Wildgans, A., Obersteiner, A., Fischer, F., & Reiss, K. (2019). Scaffolding beim Erwerb von Diagnosekompetenzen in einer simulationsbasierten Lernumgebung. In A. Frank, S. Krauss, & K. Binder(Hrsg.) Beiträge zum Mathematikunterricht 2019 (S. 865–868). Münster: WTM-Verlag. http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-20772

Wildgans, A., Obersteiner, A., Fischer, F., & Reiss, K. (2019). Diagnosekompetenz - Die Relevanz eines strategischen Vorgehens bei der Diagnose. In A. Frank, S. Krauss, & K. Binder (Hrsg.) Beiträge zum Mathematikunterricht 2019 (S. 1422). Münster: WTM-Verlag. http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-20747

Wildgans, A., Reiss, K., Obersteiner, A., & Fischer, F. (2018). Analyse der Diagnosekompetenzen von Studierenden des Grundschullehramtes Mathematik in simulationsbasierten Lernumgebungen. Tagung der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (GEBF). Basel (CH).

Wildgans, A., Obersteiner, A., Fischer, F., & Reiss, K. (2018). Analyse der Diagnosekompetenzen von Studierenden des Grundschullehramtes in simulationsbasierten Lernumgebungen. In Fachgruppe Didaktik der Mathematik der Universität Paderborn (Hrsg.) Beiträge zum Mathematikunterricht 2018 (S. 1979–1982). Münster: WTM-Verlag. http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-19777